Ein Dankeschön an die #regrettingMotherhood-Bewegung

Ein Dankeschön an die #regrettingMotherhood-Bewegung

Ich wollte es mir eigentlich verkneifen über dieses Thema zu schreiben. Ich wollte nicht so rüberkommen als würde ich nur auf den Popularitätswagen aufspringen indem ich einen „Me too, but…“- Artikel schreibe. Aber dann habe ich heute ein Video über die Macht von Dankbarkeit gesehen (siehe unten) und mir gedacht: „Scheiß drauf! Das Thema ist wichtig und es MUSS darüber gesprochen werden. Und vielleicht erreiche ich ja doch noch jemanden der noch nicht davon gehört hat!“

Ich möchte den Ladies die so mutig über das Thema #regrettingMotherhood schreiben heute danken.

Für die die noch nicht wissen worum es geht: Im deutschsprachigen Raum gibt es zur Zeit eine hitzige Diskussion die das weibliche Lager in zwei spaltet. Nein, sogar in 3 Lager genaugenommen. Das Thema ist: „Frauen die es bereuen Mutter geworden zu sein.“ Ein Tabu über das die Süddeutsche Zeitung zuerst berichtet hat. Eine sehr gute Zusammenfassung ist allerdings hier der Artikel von Alexandra Zykunov in ‚Die Welt‚.

Diese Lager sind:

  1. Die betroffenen, bereuenden Frauen
  2. Diejenigen die Verständnis haben und
  3. diejenigen die es als Ungeheuerlichkeit empfinden

Als jemand der seine ganze Kindheit über von der Mutter zu hören bekam dass sie das Übel allen persönlichen Unglücks und aller Unzufriedenheit sei, ist meine größte Angst natürlich das ich meinen Jungs vielleicht auch dieses schreckliche Gefühl vermittle.

Wie viele von uns will ich nicht meine eigene Mutter sein. 

Ich kämpfe mit jeder Faser meines Seins dagegen an und muss doch feststellen das ich mich oft dabei ertappe wie ich denke: „Was würde ich alles geschafft bekommen wenn die Jungs jetzt nicht da wären?!“ Und dann schäme ich mich dafür. Dabei weiß ich das ich eine gute Mutter bin und das wir Frauen aufhören müssen uns an Heiligen zu messen. Doch ich kann dieses masochistische Denken manchmal nicht ablegen.

The sign of intelligence... minimalistmuss.com

Die offene Diskussion um #regrettingMotherhood zeigt mir jedoch das ich keineswegs bereue Mutter geworden zu sein. Zu lesen wie tief der Schmerz einiger Frauen geht lässt mich feststellen das meine eigene kleine und nur gelegentliche Unzufriedenheit keine Reue, sondern nur eine ganz normale Fantasie ist. Sich zu fragen „Was wäre wenn…?“ hilft dabei sich klar zu werden was einem wirklich wichtig ist. Ja, ohne meine Räuber würde ich mehr „geschafft bekommen“. Aber ohne meine Räuber gäbe es auch eine ganz große Leere in mir. Ja, ich wünsche mir das meine Kids manchmal „weg“ wären. Im Kindergarten zum Beispiel – ich wünschte wir hätten schon Plätze. Oder das die Familie näher dran wäre und sie dort etwas Zeit verbringen könnten. Oder das wir einfach nur nen Garten hätten in dem sie alleine und in Sicherheit, ohne das ich ständig dabei sein muss, toben könnten. Also:

DANKE liebe #regrettingMotherhood-Bewegung.

Danke dafür das ihr den Mund aufgemacht habt.

Danke für euren Mut euch bloß zu stellen.

Danke das ihr mir gezeigt habt wie glücklich ich doch bin.

Und bitte, bitte, bitte bereut diesen Mut nicht. Denn ich sehe wir ihr jetzt von einigen angefeindet und angegriffen werdet. Aber so ist und war das schon immer wenn an den Urpfeilern der Gesellschaft in der man lebt Fehler entdeckt werden. Die Menschen haben Angst und wissen nicht anders zu reagieren. Erst wird sich über das Problem lustig gemacht und unter den Teppich gekehrt. Dann wird es angegriffen und erst danach, irgendwann, wenn das Holz fürs Feuer ausgeht, wird eingesehen das es ist was es ist: Ein Teil einer unperfekten Gesellschaft.

Und denen die nicht mit mir übereinstimmen möchte ich folgendes sagen:

Ich weiß das das Thema schmerzt und viel zu nah an der eigenen Haustüre klopft. Vielleicht kommt euch der Gedanke das wenn ihr Mitgefühl, ja sogar Verständnis für diese Frauen zeigt und empfindet das ihr dann eure eigenen Kinder etwas weniger liebt. Aber wir wissen das dem nicht so ist.

Alexandras Artikel in ‚Die Welt‘ wurde auch in unserer Mompreneurs-Facebook-Gruppe ausgiebig diskutiert und ganz besonders heftig das Beispiel der Frau die dreifache Mutter ist. Sie scheint von einigen als das „Über-Monster“ wahrgenommen zu werden. Erst DREI Kinder bekommen und dann alle drei bereuen? Warum hat sie nicht nach dem ERSTEN aufgehört?

Ladies und Gentlemen, zeigt doch bitte etwas Gnade. Keine(r) von uns ist perfekt und wir wissen nicht wie es genau war. Was wenn das erste Kind der große Wunsch war, der dann diese unerwarteten Gefühle hervorgerufen hat? Dann war da vielleicht aber noch die Hoffnung, die ja immer zuletzt stirbt, das es nach der Ankunft des Zweiten auch mit dem Ersten einfacher wird. Die Zwei hätten dann ja einander und wären weniger auf die Mutter fixiert (alle Mütter die ihre Kinder schnell hintereinander bekommen denken doch so). Und dann das Dritte? Das war vielleicht ne Überraschung. WIR WISSEN ES NICHT! Was wir aber wissen, weil sie es ausdrücklich sagt, ist das diese Frau ihre Kinder liebt. Alle drei. Und das sie ihre Kinder nie von dieser Reue wissen lassen würde. Es wird nirgendwo die Existenzberechtigung oder die Lebenswertigkeit der Kinder in Frage gestellt oder ihnen die Schuld für die Reue der Mutter zu geschoben.

Für mich ist sie kein Monster. Für mich ist sie bewundernswert.

Ich sage immer: [Tweet „Das was das Herz fühlt ist nicht unbedingt was der Kopf weiß. #regrettingMotherhood“]

Sich seinem eigenem, fehlerhaftem Sein so schmerzlich bewusst zu sein und es keinem, außer sich selbst, vorzuhalten, ist eine Kraft die nicht viele haben. Wenn das Herz leidenschaftlich schreit „Ich will hier raus!“ ist es schwer dem nicht nachzugeben. Jeden Tag die Kraft zu finden auf den Kopf zu hören und dem dummen Herzen die Stirn zu bieten ist bewundernswert. Wenn die Definition einer guten Mutter die ist, das sie alles für ihre Kinder tut, egal wie sehr sie selber leidet, dann ist diese Frau eine großartige Mutter.

Also bevor ihr verurteilt und euch aufgefordert fühlt jemandem „die Meinung zu blasen“, versucht doch erst einmal in deren Schuhen zu laufen.

Oder nehmt diese Energie und macht was Positives draus: schaut euch das folgende Video an und sagt jemandem anderen der euch inspiriert Dank.

9 Comments
  • 15. April 2015

    Vielen Dank, das hast Du wunderbar zusammengefasst und schöne klare Worte dafür gefunden! Und jeder kann etwas Gutes tun, wenn er möchte. Es reicht im direkten Umfeld, mal mit einem Kind zu reden, statt der Mutter zu sagen, wie sie es besser erziehen könne.
    Bessere Wahrnehmung, Akzeptanz und den Willen, positives Wirken vor Wertungen zu stellen – was könnte diese Gesellschaft davon profitieren!

    • 15. April 2015

      Das stimmt Sonja. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und ein bisschen mehr Mitgefühl sind kleine Steinchen die große Kreis ziehen können.
      Aber ich möchte auch nochmal sagen das Reue nicht im Widerspruch zu Liebe steht und dass, selbst wenn ein Kind merkt das der Mutter das das Muttersein manchmal schwer fällt es keineswegs geschädigt davon sein muss. Im Gegenteil. Ein geliebtes Kind von einer reuigen Mutter kann viel vllt feinfühliger für andere Menschen sein und eher sagen können: „Wow, allerhand Mama. Ich sehe das es dir nicht immer so leicht gefallen ist, aber ich habe mich immer geliebt gefühlt. Und für deine Stärke niemals aufgegeben zu haben danke ich dir!“

  • 15. April 2015

    Danke für diesen Post! Ich bin selbst noch nicht Mutter (nur frischgebackene Tante), aber als ich den ersten Beitrag über das Thema gelesen habe, dachte ich: Hey kann ich nachvollziehen. Und: Hut ab vor so viel Mut.

    Gerade den Punkt, dass nirgendwo die Existenzberechtigung der Kinder in Frage gestellt wird, empfinde ich als den wichtigsten! Alle diese Frauen sagten doch auch dass sie ihre Kinder lieben.

    Nur wer von uns kann schon hundertpro sagen, wie er sich entscheiden würde, stünde er noch einmal an einem Scheideweg in seinem Leben und könnte statt nach rechts auch nach links gehen…

    Meine Nichte z.B. ist ein zauberhaftes Kind, aber wenn ich sehe, wie viel Aufopferung so ein kleiner Zwerg von einem braucht, überlege ich ernsthaft ob ich mich zu sowas jemals bereit fühlen kann.
    Kümmere dich um meine Bedürfnisse, egal wie deine eigenen jetzt sind.
    Klar haben sich das die meisten Eltern selbst ausgesucht. Aber diese Fremdbestimmung ist nicht zu unterschätzen – so sehe ich das zumindest als Semi-Außenstehende.

    Alles Liebe, Andrea

    • 15. April 2015

      Das ist sie wirklich nicht Andrea. Deswegen lass dir Zeit und überlege gut.
      Ich wusste aufgrund meiner langjährigen Erfahrung mit Kindern schon früh das ich auch ohne Kinder glücklich sein könnte und das, wenn ich je welche haben wollen würde, es nicht unbedingt meine eigenen sein müssten.
      Für mich war es tatsächlich erst der Mann bei dem ich mir klar wurde das ich „seine Kinder“ haben wollte 😉

  • 15. April 2015

    Wow! Was für ein toller Artikel, Nic! Ich bin auch dreifache Mutter und auch ich habe Tage, an denen ich Probleme mit dem Muttersein habe. Das liegt doch letztendlich weniger an den Kindern, als an unserem eigenen Hang zum Perfektionismus – es ist ja auch so verdammt schwer, Arbeit, Kinder, Haushalt und das alles unter einen Hut zu bekommen und am Ende des Tages noch geduldig mit den Kleinen zu sein. Ich habe auch schon darüber nachgedacht, wie es wäre, hätte ich keine Kinder bekommen und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich dann ein ganz anderer Mensch wäre, als ich es jetzt bin, meine Kinder, das Muttersein haben mich so stark verändert, vor allem zum Positiven. Mir ist erst durch die Kleinen klar geworden, was wirklich wichtig für mich ist. Ich verstehe auf jeden Fall die Mamas, die es manchmal leid sind, Mama zu sein! Ich persönlich sage mir in solchen Momenten immer, dass ich mir mal eine Auszeit für mich selbst nehmen muss, dann kann ich auch wieder die Kinder annehmen wie sie sind, nämlich nervig und herzallerliebst 🙂

    • 15. April 2015

      Genau so ist es liebe Sina.
      Wenn ich so manche „Probleme“ meiner kinderlosen Freunde anhöre frage ich mich: „Ehrlich? DAS ist ein Problem für dich?“ Aber dann muss ich mich auch dran erinnern das es mir nicht zusteht die Probleme anderer zu gewichten (ist das deutsch???).
      Und das sie unter Umständen gar nicht so dumm waren sich nicht mehr aufzuhalsen 😉 Wir sollten doch alle mehr auf unsere eigenen Teller schauen und den anderen dazwischenplappern wenn wir helfen können 😉

  • brigitte
    Antworten
    29. April 2015

    Ich muss jetzt einmal eine Lanze für die InitiatorInnen von #regrettingMotherhood-Bewegung brechen: ich halte diese Initiative für einen großen Dienst an der eigenen, mütterlichen Psychohygiene.
    Für mich besteht bislang eine ziemliche Unausgewogenheit zwischen den Erwartungen an Frauen (und natürlich auch in anderen Bereichen an Männer): entweder man gesteht Frauen zu, dass sie Mütter sind und „natürlich“ ihre Kinder ohne Abstriche und immer lieben, oder man erwartet, dass sie keine Mütter sind und dann konsequenterweise Kinder nicht mögen bzw. nicht mit ihnen umgehen können.

    Klarerweise ist diese Schwarz-Weiß-Malerei nicht realistisch – es gibt viele Grautöne von Liebe und Mutterschaft dazwischen.

    Durch das aber sehr präsente Idealbild dieser romantisierten Mutterliebe entsteht aber auch ein starker Erwartungsdruck an „die Mutter“; denn was ist, wenn sie merkt, sie entspricht (nicht ganz) diesem Idealbild? Ist sie dann eine schlechte Mutter? Schädigt sie dadurch ihre Kinder? Das macht Angst und löst Unsicherheit und schlechtes Gewissen aus.
    Die Folge kann sein, dass eine Mutter, die diese für sie nicht 100%ige Mutterliebe gegenüber ihren Kindern verspürt, ihre Zweifel ausblendet, verdrängt, verleugnet und sich bemüht, dem Bild der „guten Mutter“ weiterhin nach aussen zu entsprechen. Was dabei aber übergangen wird: Die Reflexion über die eigenen Gefühle. Diese Reflexion ermöglicht es erst, die eigenen Gefühle zu erforschen, ihren Ursachen nachzugehen und eventuelle zugrundeliegende Probleme zu erkennen und anzugehen. Das ist Psychohygiene, die ich für extrem wichtig halte und jeder Mensch unbedingt betreiben sollte – im eigenen Interesse und im Interesse der Mitmenschen.
    Ich bin der Meinung, wenn man sich und seine Gefühle und seine Schwächen kennt, kann man sie bearbeiten und sogar Stärke daraus gewinnen. Blendet man seine Schwächen aus, bleiben sie bestehen und können sich sogar verstärken bzw. sich einen anderen Weg an die Oberfläche bahnen – zum Beispiel in Form von körperlichen oder psychischen Beschwerden. Und unter diesen leiden dann auch Mitmenschen und auch Kinder.
    Zu guter letzt spüren Kinder sowieso viel mehr, als ihnen so im Allgemeinen zugetraut wird – sie spüren auch Zweifel, die an den Eltern nagen, aber nicht artikuliert werden.

    Daher plädiere ich dafür: Gestehen wir uns unsere Schwächen doch ein!
    Ja, ich denke manchmal, es wäre ein einfacheres Leben ohne meine Kinder – sicher denken die Kinder das umgekehrt ja auch manchmal 🙂

    • 29. April 2015

      Vielen Dank Brigitte für diesen Kommentar.
      Genauso sehe ich das auch, keine Frage. Habe ja schon vor #regrettingmotherhood mal darüber geschrieben das wir aufhören müssen mit dem Idealbild, der „heiligen“ Mutter zu vergleichen (siehe hier: http://minimalistmuss.com.w01570ed.kasserver.com/wp/keine-heiligen/). Dieses Idealbild ist ein Märchen und wir leben nicht in einer Märchenwelt. Ich finde es wichtig das diesem Thema Gehör verliehen wird und diesen Frauen, ALLEN Frauen…heck, allen Menschen, nicht das Recht auf ihre Gefühlswelt mies gemacht wird. Sich seiner Gefühle und Probleme bewußt zu werden ist der erste Schritt in Richtung Selbsthilfe und Verbesserung!

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