L’affaire Macron – unser Bild von Männlichkeit

l-affaire-Macron: Zu unserem Bild von Männlichkeit, by minimalistmuss.com

Vor nicht ganz einer Woche wurde Emmanuel Macron zum neuen Präsidenten Frankreichs gewählt. In einem deutsch-französischen Haushalt, wie dem unseren, war die Wahl natürlich über Wochen heißes Thema. Allerdings ist das Thema jetzt, nach der Wahl, noch nicht gegessen.

Jetzt wo Macron Präsident ist, wird natürlich sein Leben und sein Werdegang bis ins Kleinste auseinander genommen. Schließlich ist er der jüngste Staatschef Europas und überhaupt, sogar weltweit und in der Geschichte … gab es noch einen jüngeren?? Ich weiß es nicht. Auf alle Fälle: einfach bemerkenswert.

Was noch bemerkt wird – mehr als alles andere – ist natürlich seine 24 Jahre ältere Frau Brigitte.

Ich gebe ganz ehrlich zu:

mir ist die Frau unheimlich.

Als Mutter sträuben sich mir da die Nackenhaare bei dem Gedanken, das eine 39jährige Frau einen 15 jähren Jungen erblickt und darin „ein Objekt der Begierde“ sieht. Die Tatsache, dass sie selbst einen 2 jahre älteren Sohn hat, macht das ganze gefühlt irgendwie noch verwerflicher. Ich selbst bin bald 35 und das wäre ja dann als würde ich mich in einen 11 Jährigen verkucken….*argh – wie gesagt die Nackenhaare und irgendwie alles fühlt sich etwas eklig an bei dem Gedanken.

But here is the thing, friends:

we know f*** all!

15 ist ein anderes Alter als 11 – da tut sich viel in den Jahren.

Macht es das OK?

Nein.

Vielleicht war er ja besonders frühreif und vielleicht hatte er ein übertriebenes Ego und Selbstbewußtsein.
Vielleicht hatte sie keins?
Wer weiß?

Genau das ist der Punkt: Wer weiß es schon? >>> NIEMAND – außer den beiden.

Die Fantasie geht durch.

Ausserdem geht hier mit uns allen ganz klar die Fantasie durch. Wir alle gehen vom Schlechtesten aus:

Weitwinkelkamera mit Blick auf eine Menschenmasse. Dann Nahaufnahme auf das Gesicht eines 15 jährigen Bubis, der mit seinen Kumpels einfach so ‚abhängt‘. Nahaufnahme auf das Gesicht einer 39 jährigen, blonden Frau, am anderen Ende der Menschenmasse. Ihr Blick schweift. Sie ’scant‘ die Masse mit Adeler-Röntgenblick. Sie erblickt den Jungen. Gedämpftes Tieger-/Löwengebrüll im Hintergrund. Das Raubtier hat seine Beute visuell erfasst, der Cougar in ihr dreht durch – sie hat einen Entschluß gefasst, von dem sie sich nicht mehr abbringen lassen wird….

Woah, moment. Filmriss bitte. Dieser Streifen hat ‚BILD-Qualität‘, also: gar kein Niveau.

Wir wissen nichts. Oder nicht viel.

Wir wissen: sie haben sich zum ersten Mal kennengelernt als sie 39 und er 15 war.
24 Jahre später ist sie seine Frau und er wurde zum Präsidenten Frankreichs gewählt. Beide wirken unglaublich glücklich.
Mehr sollte uns nicht interessieren. Oder?!
Wer sind wir schon, das wir meinen wir könnten uns da einmischen? >>> Niemand!
Eigene Meinung haben? >>> Klar!
Sich groß und lautstark chauffieren, mit der begrenzten Kenntnis die wir haben? >>> Uncool! Aber habe ich auch gemacht – weil erste Reaktion eben: igitt! Und uuunheeeeimlich!

Aber wie wäre es wenn wir erstmal vor der eigenen Haustüre kehren?

Es ist einfach sich aufs hohe Ross zu setzen und dann auf Andere runter zu schauen. Aber sind wir wirklich besser, oder weniger eklig?

Ein Freund hat mir heute, ohne groß drüber nachzudenken, per Whatsapp ein Bild geschickt. Darauf zu sehen: eine sehr gut aussehende, blonde Frau im Bikini, am Strand… mit kleinem, blonden, nacktem Jungen auf dem Arm. Ganz klar Mutter mit Sohn. Darüber aber die Zeilen: „Sommer 1983: erster gemeinsamer Urlaub von Emmanuel und Brigitte Macron :D“

Ich verstehe was man da, auf den ersten Blick,  lustig dran findet. Die Macronsituation noch überspitzter dargestellt. Hätte sie ihn noch früher kennengelernt sähe das genau so aus. Und dann wäre es sicher ganz anders gelaufen. Hätte sie ihn als Kleinkind, nackt, im Sand spielend gekannt, wäre das ein Bild das sie nicht aus dem Kopf bekommen könnte, wenn sie ihn als 15Jährigen wieder sähe – richtig?!

Warum das nicht lustig ist:

Aber Freunde, es ist nicht witzig. Und das auf sooo vielen Ebenen nicht.

  1. Ich will nicht bei jedem harmlosen Familienbild schreckliche Gedanken und noch schrecklichere Bilder im Kopf haben. Come on! Keiner will das. Hört auf so etwas anzudeuten.
  2. Es unterstellt Frau Macron echte Pedophilie (nicht nur unser subjektives Empfinden, ohne objektive Kenntnis) und ist somit Unterstellung und irgendwo auch Rufmord.
  3. Nehmen wir mal an die Geschlechter wären in der Macrongeschichte umgekehrt: Mann, mittlerer reife, und minderjähriges Mädchen. Und dann käme jemand auf die Idee daraus einen solchen Witz zu machen, mit vermeidlich „lustigem“ Foto: Mann + kleines Mädchen + so eine Überschrift.
    Das Geschrei wäre groß!
    Zurecht.
    Kleine Mädchen sexualisiert man nicht. NO GO! Auch nicht als Joke akzeptabel! Und genauso unakzeptabel, dass man so ein „Täterprofil“ erstellt, wo sich dann jeder Vater Gedanken drüber machen muss, ob und wie er Fotos mit seinen Kindern macht (siehe Punkt 1).

Der Punkt ist:

Solche „Scherze“, lose aufgehangen an einem Paar des öffentlichen Lebens, das zufällig einen großen Altersunterschied aufweist, unterstellen schreckliches und sind nicht lustig. Aber vor allem sind sie nicht lustig, denn:
Pedophilie gibt es.
Missbrauchte Kinder gibt es.
Mädchen UND Jungen.

Bei kleinen Kindern stellen wir noch das Alter, mehr als das Geschlecht, in den Vordergrund und sind geschockt und angeekelt. Aber genauso wie auch „große Mädchen“ zur „Beute“ werden, kann das auch bei „großen Jungs“ passieren. Mädchen sollen nicht sexualisiert werden – Jungs aber auch nicht. Warum bewirkt das eine Entsetzen, das andere wird aber nur belächelt, oder mit Schulterzucken abgetan?

Frauenbild und Männerbild

Als Frauen wollen wir echte Gleichberechtigung.
Als Mutter frage ich mich, wie ich meine Jungs erziehen soll, damit sie später Erwachsene werden, die Personen nach ihrem Charakter und nicht nach ihrem Geschlecht  oder Aussehen beurteilen.
Als Gesellschaft bemängeln wir, dass unser Bild von „Männlichkeit“ verdreht ist, missverstanden wird und eben nur ein Wort in Anführungsstrichen darstellt.

Freunde, es fängt früh an.
Wir müssen nicht nur aufpassen was wir unseren Kindern vorleben, sondern worüber wir unüberlegt lachen und somit als ‚harmlos‘ abheften. Sexuelle Belästigung passiert auch Jungs – und das nicht zu knapp. Es ist nicht minder schlimm, hinterlässt nicht minder tiefe Wunden und lässt sich nicht mit einem „Man up, dude! Stell Dich nicht so an.“ wegwischen.

Wenn wir als Frauen wollen, das unsere Männer emotionales Trauma genauso schwer gewichten und ernst nehmen wie körperliche Wunden, dann müssen wir Eltern (weiblich und männlich) aufhören, ihnen als Kindern einzutrichtern, dass sie sich nicht „so anstellen“ sollen. Zum ‚Opfer‘ werden kann jeder, egal wie alt, und das ist keine Wertung der Person, sondern ein Ereignis das einem widerfährt und mit dem man sich auseinandersetzen muss.

Zu den Macronwitzen im Netz:

Es bleibt für mich an dieser Stelle nur noch eins zu den geschmacklosen Macronwitzen (und ihren Urhebern) auf Facebook, Twitter und Co zu sagen:
Wenn Du das lustig findest, sagt es mehr über Dich aus als Du realisierst. Erstens zeigt es, dass Du Dir Urteile anhand von oberflächlichen Informationen bildest und, zweitens, dieses sehr beschränkte Weltbild auch noch unüberlegt und geschmacklos verbreitest. Ganz ehrlich: das sagt nichts über das Niveau der Macrons aus, sondern nur, dass Du Dich tatsächlich auf „Trumpniveau“ bewegst!“


Das ist alles natürlich nur meine subjektive, auf  limitierten Fakten basierende, Meinung – ich lade zur Diskussion ein!

3 Comments
  • honigperle
    Antworten
    11. Mai 2017

    Ich bin gerade zufällig über deinen Blog und diesen Beitrag gestolpert und muss sagen – das gefällt mir. Die Art und Weise wie du schreibst und welche Themen du hierbei miteinander verknüpft. Politische Bildung auf zwischenmenschlicher Ebene könnte man es nennen. So finde ich Politik dann auch gleich viel interessanter.
    Ich finde dadurch hebt sich dein Blog wesentlich von der Masse und den klassischen Themen ab.
    Gerne werde ich schon bald wieder bei dir vorbeischauen.
    Herzlichen Gruß
    Melanie

  • 11. Mai 2017

    Danke. Finde auch, es geht uns nichts an und ihn auf seine Ehe zu reduzieren oder über ihn herzuziehen ist unterste Schublade. Bei einer Frau wäre das Geschrei gross. Ich weiss bis jetzt sehr wenig über ihn, weil man ihn immer nur auf das Bild des ehemaligen Bäckers reduziert oder es ständig um seine Ehe geht.

    Diese „Lästerer“ und die Leute mit den tollen Witzen würden es sicher nicht lustig finden, nähme man sie so Niveaulos auf die Schippe und würde Witze über ihr Leben machen. Aber bei anderen scheint es ok.

    Liebe Grüsse,

    Nanny Anny

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