Weltfrauentag – halten wir Frauen uns gegenseitig klein?
Am Sonntag war Weltfrauentag und ich kann nicht aufhören darüber nachzudenken ob wir Frauen uns einen Großteil unserer Benachteiligung nicht selbst zu zuschreiben haben.
Ich habe kürzlich einer anderen Unternehmerin von einem Bewerbungsgespräch erzählt aus dem ich sehr geschockt und ehrlich gesagt auch stinkwütend, herausgekommen bin.
So sah die Situation aus:
Ich habe schon immer „bereut“ nicht Architektur statt Produktdesign studiert zu haben. Ich liebe alles was das Thema Bauen betrifft. Die Konzept- sowie die Umsetzungsphase. Ja, auch die Bauphase mitsamt Terminstress, Bauaufsicht und Koopertion mit den Handwerksbetrieben. Und als ich erfahren habe das ich in der Schweiz eine Ausbildung zum technischen Zeichner in Fach Architektur machen kann, habe ich glatt dafür meine Selbstständigkeit aufgeben wollen. Vor allem weil ich die Möglichkeit habe mit meinem Interior Design/nachhaltigem Bauen Hintergrund die Ausbildung von 4 auf 2Jahre zu verkürzen.
Ja, mit Anfang 30 nochmal eine Ausbildung zu machen ist ungewöhnlich, besonders wenn man schon 1 1/2 höhere Abschlüsse hat, aber es würde mich glücklich machen. Ausserdem würde es
- in meinen Lebenslauf passen. Technischer Architekturzeichner, Interior Designer, MSc nachhaltiges Bauen (hier der „halbe Abschluss“, da ich zwar alle Kurse bestanden, aber die Dissertation aufgrund von… naja, dem Leben das zwischenzeitlich andere Pläne für mich hatte…. nie zu Ende geschrieben. Und ein Interior Designer der was von Konzepterstellung, Architekturproblemen, Nachhaltigkeit UND dem Stress der Wirtschaftlichkeit eines selbstständigen Büros versteht sollte doch für jedes Baubüro ein Plus sein, oder?
- Mich eben technisch auf den neusten Stand bringen, mir Selbstbewusstsein nach der langen Elternzeit geben und mir und dem potenziellen Arbeitgeber den „Stress“ und überhöhte Erwartungen nehmen. Denn ich halte nichts davon mich einfach so zu bewerben, dem Arbeitgeber vorzumachen ich sei mir 100% sicher was ich tue und mich und ihn dann stressen wenn es knapp wird.
Für 2Jahre wäre ich willens nicht nur 100% Motivation für die Ausbildung, sondern auch mein ganzes erweitertes Hintergrundwissen zu den architektonischen Randthemen, bei Bedarf, einzubringen. Für weniger Geld natürlich als ich nur als Interior Designer verdienen würde. Alles was ich ‚gefordert‘ habe war, dass das Ausbildungsgehalt die Vollzeitunterbringung in der Kita für meine Kinder decken muss.
Ich habe also Bewerbungen geschrieben und auch prompt ein Vorstellungsgespräch an Land ziehen können. In einem kleinen Architekturbüro das von einem Päarchen (also Mann und Frau) geleitet wurde. Das Gespräch lief gut und am Ende sagte ER: „Wissen Sie was? Ich sehe Ihre Motivation und glaube Ihnen wenn Sie sagen das sie das Arbeitpensum auch in kürzerer Zeit geschafft bekommen!“
YAAAY! Bis….
SIE anfügte: „Naja, ich weiß nicht. Ich meine, Sie haben ja schließlich zwei Kinder.“
Ich weiß nicht ob mir wirklich die Kinnlade runtergefallen ist, aber ich war schockiert. Schockiert das das immernoch, in 2014, als Argument angebracht wird und dann auch noch VON DER FRAU!
Ich versuchte natürlich nochmal Sie vom Gegenteil zu überzeugen, aber mir war klar das wenn sowas… ähm…. DUMMES immernoch einer Frau vorgehalten wird, ich auch mit dem besten Argument nichts ausrichten könnte. Ich bin aus diesem Gespräch enttäuscht und wütend herausgegangen.
Den Grund für diese Einstellung der Dame habe ich im persönlichen Erfahrungsschatz gesehen.
Jeder Urteilt nach seinem eigenem Vorbild und ihr wäre es wahrscheinlich einfach zu stressig und undenkbar nochmal „von vorne“ und mit 2 Kleinkindern dabei, anzufangen.
Das war also die Geschichte die ich der anderen Mompreneurin erzählte und ihre promte Antwort war: „Und du wunderst dich das das von der Frau kam? War doch klar das das von ihr kam. Es sind doch immer die Frauen die andere Frauen kleinhalten.“
Schon wieder die Kinnlade offen.
Wie bitte? Ich wusste schon wieder nicht was ich sagen sollte. Sie sagte ganz klar das es bloßer Neid und Eifersucht waren die die Architektin mir gegenüber empfand. Wir werden natürlich nie wissen was es wirklich war, aber bin einfach nur schockiert das das immer noch als möglicher Grund in den Köpfen der Menschen spukt.
Haben wir so ein kindliches, kleinkarriertes und schlichtweg dummes Denken nicht in der Pupertät hinter uns gelassen? Gibt es das tatsächlich in der Erwachsenenwelt immer noch? Würde ein(e) Unternehmer(in) sich wirklich ein wertvolles Teammitglied entgehen lassen weil er/sie Neid empfindet? Warum denkt diese andere Frau sofort an sowas? Hätte sie es nicht gesagt wäre es mir gar nicht in den Sinn gekommen.
[Tweet „Kämpfen wir Frauen für die „Gleichstellung der Geschlechter“ im Allgemeinen und untergraben sie gleichzeitig im Privaten?“]
Kämpfen wir Frauen für die „Gleichstellung der Geschlechter“ im Allgemeinen und untergraben sie gleichzeitig im Privaten? Sabotieren wir unsere eigene Gleichberechtigung? Ich weiß nicht was ich glauben soll. Ich will nicht glauben das das wirklich so ist.
Ulrike Kreuzig
Hallo Nic, das ist ein guter Beitrag, der sehr nachdenklich macht.
In gewisser Hinsicht kannst Du noch froh sein, dass die Frau ihre Bedenken offen angesprochen und man dich nicht lahmen Gründen verabschiedet hat. Auch können sich Unternehmer / innen Solidarität nur sehr begrenzt leisten. Trotzdem gehen Männer irgendwie anders mit solchen Fragen um. Nicht solidarischer. Sondern eher vorteilsbewusster und risikobereiter: Oh, da kann ich eine tolle Mitarbeiterin gewinnen. Hm, ob sie das packt? Aber sie würde so gut passen …
Allein, dass wir der Frau Neid unterstellen, zeigt, dass diese Denke auch in unseren Köpfen steckt – was wir erwarten, wie andere Frauen sich verhalten, fühlen etc.
Wo sind die Gegenbeispiele?
LG Ulrike
Nic Pinguet
Hallo Ulrike.
Einerseits gebe ich dir Recht das sie es offen gesagt hat ließ mich sofort wissen das es nicht an mir sondern an meiner Situation lag. Anderer seits glaube ich nicht das ein Mann und Familienvater sich dieses Argument hätte anhören müssen. Wenn die Kinder krank werden sollten kann auch der Vater sich mal einen Tag frei nehmen, aber davon wird nicht ausgegangen.
Die andere Dame der ich die Geschichte erzählt habe und die nur lachte und von der „neidischen Normalsituation zwischen Frauen“ sprach, war (muss ich offen gestehen) mir natürlich danach recht unsympathisch. Wie gesagt: Jeder urteilt nach eigenem Vorbild und da kann ich nicht anders als anzunehmen das sie das so machen würde. Ist das nachvollziehbar?
Ilona Rennt von denkartig
Ja wir untergraben uns gegenseitig.
Ich merke das täglich, jedoch auf eine andere Art und Weise. Mir scheint es so, als wollen einige Frauen keine Verantwortung im Beruf übernehmen. Ich erlebe also die andere Seite. Die Kinder werden regelmäßig vorgeschoben. Und das offensichtlich.
Wer so eine Erfahrung öfters sammeln durft, ist Frauen mit Kindern vermutlich skeptischer eingestellt. Leider gehöre ich mittlerweile ebenso zu dieser Fraktion, und das obwohl ich selbst weiblich bin. Dennoch lege ich keine Verallgemeinerung über die Frauenwelt und gebe jedem oder jeder eine Chance.
Ob es sich in diesem Fall um Neid ect. handelte ist selbstverständlich schwer zu sagen. Es könnte auch sein, dass es für sie selbst unvorstellbar ist, alles unter einen Hut zu bringen. Und daraufhin an deinen Managment zweifelt.
In so einem Fall, sollten meiner Meinung nach, beide Seiten offen über die Bedenken und Managmentmöglichkeiten sprechen. Daraufhin wird die kritische Seite evtl. beruhigt und der anderen, also deiner, ersichtlich, ob sich auch wirklich alles vereinbaren lässt.
Mit so einer Unterredung ist letztendlich jedem geholfen. Wir müssen wohl einfach mehr miteinander reden und aufeinander zu gehen, um solche Untergrabungen dauerhaft zu vermeiden.
Ein wirklich anregender Artikel.
Nic Pinguet
Hallo Ilona.
Ja ich kann mir durchaus vorstellen das es als Arbeitgeber sehr schwer sein muss mit anzusehen wie es einer Angestellten offensichtlich so gar nicht gefällt und sie händeringend nach „Ausweichmöglichkeiten“ sucht. Und wie soll man das auch ansprechen ohne gleich als, Verzeihung, „Arsch“ dazustehen. Ich weiß das es viele Frauen gibt die gerne Vollzeitmutti wären. In den USA ist es der Traum der Mittelklasse ein „one-income-household“ zu werden, denn wenn man das geschafft hat, ist man quasi obere Mittelklasse. Wie soll man Motivation messen? Als willige Arbeitsuchende und als potenzieller Chef von Applikanten? Wäre es nicht schön wenn man einfach einen Test dafür hätte?
Ich frage mich ja ob es vielleicht abgeschreckt hat das ich willens war meine Designselbstständigkeit für eine Ausbildung aufzugeben. Ist der ehrliche Schuss nach hinten losgegangen und hat mich so aussehen lassen das ich verzweifelt nach Stabilität im Angestelltenverhältnis suche, weil ich eben mit 2Kindern + Selbstständigkeit nicht klarkomme? Ich hoffe nicht.
Pingback: GET SHIT DONE #03 - Ziele 2016